Auf Entdeckungstour durch Penzing

Auf Entdeckungstour durch Penzing

 

Der 14. Wiener Gemeindebezirk erstreckt sich am Rande von Wien und besteht aus fünf Stadtteilen: Hütteldorf, Penzing, Breitensee, Baumgarten und Hadersdorf-Weidlingau. Der bekannteste Stadtteil ist Hütteldorf, jener Heimatort des bekannten Fußballclubs Rapid Wien und auch Stätte der bekannten Ernst Fuchs Villa. Abseits dieser bekannten und touristischen Pfade gibt es jedoch viele vergessene Orte, welche die wenigsten kennen dürften.

Wir beginnen unsere Tour in Penzing, in einer einst sehr belebten Straße, welche bis vor einigen Jahrzehnten noch sehr viele Greissler, Gasthäuser und andere Geschäfte beherbergte.

Im Laufe der Zeit verschwanden all diese Unternehmen aus dem Bezirk, und heutzutage erinnert fast nichts mehr an die einst dicht besiedelte Einkaufsstraße. Oder gibt es vielleicht doch noch die eine oder andere Geschäftsfassade, welche der Zeit trotzt und eine Portion Retro Feeling aufbringt? Ja, genau so ein altes Portal ist unser erstes Ziel; es handelt es sich hierbei um ein ehemaliges Reisebüro. Die Fenster sind vergilbt und die Türe verschlossen. Allerdings hängen in den Schaufenster noch die ehemaligen Werbeplakate. Als das Reisebüro kurz vor der Jahrtausendwende schloss, machte sich wohl niemand Gedanken um die verbliebenen Relikte. Mittlerweile sind diese fast 25 Jahre alt und wirken bereits nostalgisch, wenn mit „Sensationspreisen in Schilling“ geworben wird. Auch die verblasste, blaue, Schrift steht ganz im Zeichen der verwehten Zeit.

Mit diesem nostalgischen Flair machen wir uns auf zum nächsten Ziel, zu einem Gemeindebau aus den 1920er Jahre. Wien ist bekannt für seine vielzähligen Gemeindebauten. Die historischen Wohnblöcke sind Zeugnisse des kommunalen sozialen Wohnbaues und sind inzwischen auch wichtige Bestandteile der Architektur und Kultur Wiens geworden. Heute besitzt die Stadt Wien ca. 220.000 Gemeindewohnungen und ist somit die größte Hausverwaltung Europas.

Wir befinden uns in einem Gemeindebau welcher von 1924 bis 1926 errichtet worden ist und der im Keller noch Relikte aus dem Zweiten Weltkrieges vorweisen kann. Durch eine unscheinbare, moderne Blechtüre treten wir in den Keller, in das erste Untergeschoss, ein. Die Wände sind neu gestrichen, der Boden asphaltiert und durch die vielen Fenster tritt Tageslicht ein. Auf den ersten Blick weißt hier nichts mehr auf die Vergangenheit hin, auf den zweiten aber schon: Und zwar befinden sich auf den original verbliebenen Holztüren die Aufschrift „Mauerdurchbruch“ und ein Richtungspfeil. Dreht man das Licht ab, so leuchtet dieser Hinweis auch noch im Dunkeln.

Im Falle, dass das Stiegenhaus und somit auch der Weg ins Freie verschüttet gewesen wäre, hätten man sich durch diese Mauerdurchbrüche ins Nachbarhaus retten können.

Unsere Tour geht weiter zu einem sensationellen "lostplace", und zwar einer ehemaligen Jugendstilkapelle. Wir begeben uns auf einen kleinen Fußmarsch und spazieren in den Bezirksteil Breitensee. Nach gut 10 Minuten sind wir an einer großen Kaserne aus der Kaiserzeit angelangt. Hier soll sich die gesuchte Kapelle verstecken. Wir melden uns bei der Wache am Eingang an, wo wir bereits erwartet werden, gehen ein paar Schritte und stehen im Eingangsbereich der ehemaligen K. u. K. Kaserne.

Durch ein Treppenhaus kommen wir zu eine modernen Tür, öffnen diese und stehen inmitten eines großen, hölzernen Dachboden. Hinten sehen wir eine kleine weiße Brandschutztüre. Die Spannung steigt.

Als wir die kleine Türe zur Hälfte öffnen sehen wir schon die ersten Frauenfiguren mit Schleier, welche die Hände zum Beten zusammengefaltet haben und andächtig nach unten schauen.

Wir stehen in der ehemaligen Kapelle. Aber warum besteht diese nur mehr aus dem Deckengewölbe und warum wurde der Deckenbereich abgemauert? Die Recherche ergab,dass man sich in den 1960er Jahren entschied sich hier eine Zwischendecke einzuziehen. Der untere Teil wurde zu einem großen Mehrzweckraum umfunktioniert. Das historische Jugendstilgewölbe blieb, leicht beschädigt, erhalten. Wir schauen uns die Figuren genauer an, und entdecken auch direkt unter der Decke, ein rundes Christus Bild, welches in zarten Farben gemalt und mit einem goldenen Rand geschmückt ist. Unsere Füße versinken immer wieder im weichen, eingezogenen Glaswolle-Boden, welcher als Wärmedämmung fungiert.

Begeistert von diesem Relikt setzten wir unsere Tour fort. Es geht von Breitensee nach Hütteldorf zu einem verlassenen Wohnhauskomplex, direkt neben dem Stadion des Fußballverein "SK Rapid Wien".

Wir betreten die Wohnhausanlage, seinerzeit ein Vorzeigeprojekt aus den 1950er Jahren. Seit Jahren ist dieser kommunale Wohnbau verlassen und dem Verfall preisgegeben. Der Bau nennt sich "Alte Leute Siedlung".

Die Reihenhäuser wurden zwischen 1955 bis 1957 erbaut. Die Stadt Wien war auf dieses vorbildliche Projekt sehr stolz. Dies zeigte sich auch im Jahre 1961, als der Ministerpräsident der Sowjetunion, Nikita Chruschtschow, durch die Siedlung geführt wurde. Die Siedlung beherbergte 24 ebenerdige Wohnungen für ältere und körperbehinderte Personen. Die Häuser sind im Rechteck angeordnet und in der Mitte befindet sich eine große Grünfläche. Die letzten Bewohner verließen 2006 ihre Wohnungen.

In den letzten Jahren wurden die leerstehenden Wohnungen vermehrt Zielscheibe für Vandalen. Ein großer Teil der Fensterscheiben ist zerbrochen. Nun ist der Bau mit Sperrholzplatten ausgelegt, damit unerwünschte Besucher fern bleiben. Seit mehreren Jahren steht der Abriss der Siedlung in öffentlicher Debatte, jedoch verliefen die Pläne und Diskussionen bis jetzt immer im Sand. So steht aktuell die Siedlung als trauriger lostplace und wartet auf seine Zukunft.

Die Pläne sind, die Siedlung abzureisen und dort einen neuen Gemeindebau zu bauen. Wann dies passiert, ist noch unklar, und bis dahin verfallen die Häuser zunehmend.

Nach unserem Besuch in diesem Gemeindebau setzen wir unseren Weg fort, um zum nächsten Ort unserer Bezirks-Tour

zu gelangen.

Beim Bahnhof Hütteldorf steht bereits der Bus, welcher uns an unser Ziel bringen wird, welches sich an der Grenze zu Niederösterreich befindet. Wir kommen an sehr vielen alten historischen Gebäuden vorbei. Hier scheint es, als wenn der Zeiger der Uhr sich langsamer dreht. Wir erblicken noch ein charakteristisches, dorfähnliches Bild, welches nur mehr sehr selten in Wien zu finden ist. Wir gehen ein paar Meter an der Hauptstraße stadtauswärts , und kommen auch an zahlreichen verlassenen Häusern, sowie einer aufgelassenen Gaststätte vorbei.

Nach ein paar Minuten, durch die fast menschenleer Straße, stehen wir vor einem alten rostigen Tor der verlassenen Autowerkstatt.

Das Tor ist in Grün und lila gestrichen. Wir blicken durch die Gitterstäbe auf einen asphaltierten und überdachten Platz, an dem wahrscheinlich früher die Autos zur Anmeldung einfuhren. An den Wänden erkennen wir noch mehrere, „Retro farbige“, Piktogramme, welche die einstigen Dienstleistungen der Werkstatt zeigen. Waschen, Lackieren, Reinigen und natürlich Reparieren.

Das letzte Auto wurde hier wohl schon vor längerem zum Service gebracht, da sich durch den Beton schon das Unkraut schlängelt und am Ende der Einfahrt sogar schon Sträucher wachsen. Das einstige Banner „Werkstatt“ hängt trostlos und halb geknickt von der Wand. Was wird wohl mit diesem alten Betrieb passieren?  Werden hier vielleicht sogar bald wieder Autos repariert? All diese usn aufgedrängten Fragen können wir zu diesem Zeitpunkt nicht beantworten. Höchstwahrscheinlich wird die Werkstätte noch einige Jahre dem Verfall preisgegeben sein, und muss schlussendlich für neue Wohnungsprojekte weichen.

 

Unsere Spezial-Tour durch Penzing ist nun auch schon am Ende angelangt. Ich hoffe Sie hatten eine interessante und spannende virtuelle Führung durch den 14ten Bezirk. Sie sehen, dass Penzing viel mehr bietet, als nur die bekannten Sehenswürdigkeiten.

Ein Spaziergang durch diesen sehr schönen Außenbezirk lohnt sich.

 

Text und Fotos: Lukas Arnold