Meine Tour begann an einem sonnigen Sonntagmorgen. Die Sonne ging gerade auf und ich stieg voll motiviert aus der U-Bahn. Mein heutiges Ziel war die ehemalige Siemensbahn, welche 1920 von der Firma „Siemens & Halske“ im Westen von Berlin, im Bezirk Charlottenburg, erbaut worden ist. Die Bahn sollte die Mitarbeiter schnell von der Wohnung in die Arbeit zu bringen. 1980 wurde der Bahnbetrieb eingestellt und in der Folge die vier Streckenbahnhöfe (Jungfernheide, Wernerwerk, Siemensstadt, Gartenfeld) und das 5 km langen Streckennetzes sich selbst überlassen. Alles verfiel und verwucherte zusehends. Die Natur holt sich das gesamte Areal zurück, so wuchsen allmählich Bäume und Sträucher auf dem Bahnsteig. Weiters entstanden Graffiti und Schmierereien.
In den letzten Jahren gab es immer wieder Pläne die Bahnstrecke zu revitalisieren und in weiterer Folge an das bestehende S-Bahn Netz anzuschließen und sogar auszubauen. Die Pläne verliefen stets im Sand, bis jetzt! Vor einigen Wochen wurden nun tatsächlich die ersten Schritte einer Neunutzung vorgenommen. Es wurde zunächst begonnen die alte Gleisanlage zu entfernen. Im nächsten Schritt werden Statiker die verschiedenen Bahnviadukte prüfen, ob diese noch in einem stabilen Zustand sind, um zukünftig wieder die Bahnen tragen zu können. Auch die Bahnhöfe werden inzwischen inspiziert und auf eine mögliche Sanierung vorbereitet.
Bis 2029 soll der Bahnbetrieb im ehemaligen Streckennetz wieder aufgenommen werden und ab 2030 sogar ausgebaut in Verwendung stehen. In welchem Zustand war der Zustand noch vor einigen Monaten? Die Antwort könnt ihr hier nun lesen!
Ich stieg bei der Station "Rohrdamm" der Linie 7 aus, und machte mich auf zur Station "Siemensstadt". Mein Weg führte mich entlang des Betriebsareals von Siemens, welches nach-wie-vor in Verwendung ist. Von weitem sah ich schon eine alte, verrostete Brücke, dies musste wohl der ehemalige Bahnhof sein. Ich sah ein kleines Wartehäuschen am Bahnsteig, sowie die augenscheinliche Rückeroberung der Natur. Nach ein paar Minuten stand ich direkt unter dem Bahnhofsviadukt und konnte noch die verbliebenen Lettern erkennen, welche ehemals den Namen "Siemensstadt" bildeten. Einige Buchstaben waren bereits verschwunden, allerdings waren die Umrisse noch deutlich zu erkennen.
Auf dem Weg zur Station durchquerte ich einen regelrechten Dschungel aus Bäumen und Sträuchern, sowie aus den verbliebenen Bahngleisen und Weichen, welche zum größten Teil noch komplett vorhanden waren. Als ich die ehemalige Bahntrasse entlang ging, war es ein sehr bizarres und außergewöhnliches Gefühl und ich dachte mir: Dort wo bis vor 40 Jahren noch die Züge fuhren und die Arbeiter in die Fabrik brachten, ging ich jetzt in einem dicht zugewachsenen Dschungel. Plötzlich stand ich inmitten des aufgelassenen Bahnhofs.
Inzwischen stand die Sonne schon hoch über der Stadt und tauchte diesen "lostplace" in ein friedliches Ambiente. Die Vögel zwitscherten und es wirkte so, als wenn die Natur dem verwaisten, verfallenen Bahnhof Trost und Mut spenden wollte.
Ich erkundete den Bahnsteig und stieß noch auf einige Artefakte aus der aktiven Zeit, als der Bahnhof noch belebt war und die Menschen sich drängten, um den Zug in die Arbeit nicht zu verpassen bzw. nach Betriebsschluss nachhause zu kommen. Ich fand das Gehäuse der alten Bahnhofsuhr, einige verbliebene Werbeanzeigen, sowie am Ende des Bahnsteiges, welcher bereits mehr blühende Wiese als Bahnsteig war, noch einige alte quadratische Pflastersteine.
Ich war von dem außergewöhnlichen Anblick begeistert und fasziniert. Zeitgleich war es für mich Zeit, den nächsten Bahnhof zu erkunden, allerdings fuhr ich nicht mit der U-Bahn oder mit dem Taxi zu meinen nächsten Zielort, sondern wollte mich ganze auf die `Spuren der ehemaligen Siemensbahn` begeben und setzte meinen Weg am Bahndamm fort.
Nach einigen Metern bereits, begann allerdings für mich ein wahres Dschungelabenteuer: Seit 40 Jahren wurde der Natur freier Lauf gewährt und so musste ich mich teilweise durch Dornensträucher, Bäume und Gestrüpp `kämpfen`. Mein Weg führte mich stets direkt auf den Gleisen in Richtung Bahnhof "Wernerwerk".
Nach gut einer halben Stunde, vielen Kratzer und Mückenstichen erreichte ich den Bahnhof. Im Vergleich zur "Siemensstadt" war dieser allerdings schon in einem sehr schlechten Zustand. Teilweise war die hölzerne Dachkonstruktion schon eingestürzt und ein Wartehäuschen wurde offensichtlich Opfer eines Brandes, da nur mehr die Grundmauern standen.
Ich machte auch hier einige Fotos, ehe es zu den letzten Bahnhof, „Gartenfeld“, ging. Jetzt werden Sie, aufmerksame Leser und Leserinnen vielleicht verwundert sein, da ich anfänglich von vier Bahnhöfen geschrieben habe. Der erste Bahnhof des Streckennetzes, „Jungfernheide“ steht inmitten des aktiven S-Bahnhof "Jungfernheide" und dabei handelt es sich lediglich um einen Bahnsteig, welcher zwar nicht genutzt wird, aber Teil des sich im Betrieb befindlichen Bahnhofes ist.
Der ehemalige Endbahnhof "Gartenfeld" wiederum ist, sowie auch "Siemensstadt" und "Wernerwerk" verlassen und verfällt, allerdings erst seit ein paar Jahren, da der Bahnsteig und das historische Bahnhofsgebäude nach Ende des aktiven Bahnbetriebes kurzerhand als Gartencenter umfunktioniert wurde. Dort wurde jede Art von Gebrauchsartikel für den Bahnhof am Bahnsteig präsentiert und verkauft. Vor ein paar Jahren zog das Gartencenter aus, und hinterließ einen adaptierten Bahnsteig mit allerhand Objekten, welche eigentlich die Gärten der Kunden verschönert hätten sollen. Es standen mehrere Steintische, Statuen, Fliesen, etc. zwischen den alten Holzbänken und dem kleinen Wartehäuschen auf dem verbliebenen Bahnsteig.
Mit vielen Fotos im Gepäck verließ ich schließlich den Endbahnhof und machte mich auf den Fußweg zur nächsten U-Bahn Station. Auf dem Weg dahin kam ich an einem verlassenen, zweistöckigen Gebäude vorbei, welches sofort mein Interesse weckte. Es handelte sich hierbei um ein ehemaliges Stellwerk der Siemensbahn. Ich war überrascht von diesem Zufallsfund und begann sofort auch dieses Relikt zu erforschen. Das Gebäude hatte die Form eines verkehrten. Im Inneren gab es eine kleine Nische, in der wahrscheinlich die Toilette untergebracht war, sowie einen kleinen Raum, welcher eventuell als Küche diente? Über ein Stiegenhaus gelangte ich in den zweiten Stock, und in den kleinen "Gang" welcher frei über den Schienen `schwebte`. Nach ein paar Fotos verließ ich auch diesen Ort und machte mich auf den Weg nach Hause.
(Text und Foto: Lukas Arnold)